Samstag, 20. November 2010

Blaukanten - Erinnerungen

Wie schön unkompliziert es doch war

Mit vier erhielt ich meine ersten Skier. Damals natürlich noch aus Holz und ohne Kanten. Denn Kanten waren Luxus. Ich erinnere mich wie man stolz frischmontierte Kanten zeigte, sogenannte Blaukanten die nicht rosteten.
Mein Vater hatte Blaukanten und auch Holzskier. Seine Skier hatten so eine wunderschöne Oberflächenform, stromlinienförmige Erhebungen. Meine Skier waren flach, aber hatten dafür einen Kleber am Spitz mit dem Aufdruck "Ski-Affentranger".
Mutter fuhr nicht Ski. Sie hatte Angst - genau wie vor Vespafahren, schwimmen, elektrischem Strom und Dampfkochtöpfen...
Papa trug immer eine hellgraue Dächlimütze. Dazu eine ebenfalls hellgraue Windjacke mit revolutionären Reissverschlüssen an den Taschen. Er hatte Mühe mit seinem Fussknöchel. Immer wieder renkte er ihn aus; dann gab Vater das Skifahren endgütlig auf.
Meinen Skiern liess Vater später ebenfalls Kanten anbringen - ein völlig neues Rutschgefühl stellte sich ein.
Alljärlich erhielt ich ein Döschen "Ski-Gliss", Skilack, knallrot und nach Nitro stinkend. Damit wurden meine Skier jährlich behandelt.
Die grösste Errungenschaft waren damals Aluminium-Skistöcke und Skischuhe mit Gummiband-Schnellverschluss, sogenannte Doppelschnürschuhe.
Nun, ich hatte weder Alu-Stöcke noch Doppelschnürschuhe, aber ich raste schon als Knirps wie der Leibhaftige die Hänge talwärts...

Dienstag, 16. November 2010

Vespa - Erinnerungen

In den fünfziger Jahren gab es noch viel weniger Automobile. Dafür fuhr man mit Roller und schweren Motorrädern mit Seitenwagen. Mein Vater besass eine Vespa. Sie war grün métallic und roch und stank wie die Pest. Unverkennbar war auch das typische Motorengeräusch, ähnlich wie ein wild gewordenes Insekt - nomen est omen...
Damals hatten die Motorräder auch vorne ein Nummernschild längsseits befestigt, auf Lampe und Kotflügelchen. Unsere Vespa hatte zwei Einzelsitze mit dicken Federn, und hinten auf jeder Seite grosse in einen Spitz auslaufende Ausbuchtungen - Arschbacken, wie sie meine Mutter zu bezeichnen pflegte. Aber am wichtigsten für mich war vorne die kleine Fussbremse. Wenn Vater mich mitfahren liess, so wurde ich zwischen ihm und der Lenkstange platziert. So stehend, mich an der Lenkstange festhaltend, bin ich dann mal kräftig auf die Fussbremse getreten. Nach dieser zirkusreifen Pirouette und Vater's Donnerwetter musste ich fortan hinten Platz nehmen.

Meine Mutter hatte wahnsinnig Angst als Sozia mitzufahren. Alle Überredungs- und Verführungskversuche meines Vaters brachten sie nicht dazu sich auf das knatternde Ungetüm zu setzen. Mit einer einzigen Ausnahme: Vater nahm den Rank in der Quartierstrasse etwas zu rassig, Mutter legte sich in die Kurve, aber auf die falsche Seite, und ein Stück eines vorstehenden Schachtes beendete abrupt diese Probefahrt...

Montag, 15. November 2010

Der Traktor - Erinnerungen

An der oberen Quartierstrasse gab es noch einen richtigen Bauernhof. Der Hof wurde von den Gebrüder Geisseler bewirtschaftet. Weil fast alles dazu gehörende Land mit Einfamilienhäusern verbaut wurde, hatten die Geisselers immer weniger Grasland, immer weniger Kühe....und auch keinen richtigen Traktor mehr.
Ihr Traktor war ein umgebauter Ford aus den Dreissigern, grau und mit abgeschnittenem Dach. Die Ledersitze waren noch drin und die Hinterachse war durch eine Traktor-Achse ersetzt worden. Der Ford musste noch mit einer Kurbel gestartet werden, und wenn er schleppen musste, so stöhnte und ächzte der Motor so eigentümlich dass man schon von weitem hörte wenn die Geisselers mit einem Fuder Heu im Anzug waren.
Wir Buben waren alle scharf auf den Geisseler-Traktor. Jeder hätte zu gerne mal mit dem Zwitterding eine Runde gedreht. Wohlweislich wurden wir aber von den Geisseler-Brüdern zurückgepfiffen wenn wir uns dem Traktor näherten. Einer von uns, der Bossert Seppu, behauptete immer wieder er sei schon mal mit dem Traktor gefahren. Und schliesslich zeigte er uns auch wie. Die Geisselers waren ausser Sichtweite und Seppu startete das Ding. Um später nicht als Mitgegangene taxiert zu werden, standen wir in angemessenem Abstand und sahen wie der Traktkor einen Hupf nach vorne machte, den Misthaufen touchierte und schnurstracks gegen den Kuhstall zusteuerte. Die zu einer Barrage aufgeschichteten Milchkannen beendeten dann mit Getöse Seppu's Amokfahrt.

Max Weingartner - Wahrnehmungen

Mein Vater war Amtsvormund und ein ausgesprochen gutmütiger Mann. Immer wenn ein armes Mündel nirgendwo unterzubringen war, so gab es Platz und Verköstigung bei uns zu Hause. Meistens waren das so Menschen die irgendwie eine Schraube locker hatten, unter einem seelischen Knacks litten oder ganz einfach ziemlich anders waren als andere.
Max Weingartner war so einer. Er war ein vornehmer Herr, studiert, ein Doktor, sechssprachig in Wort und Schrift, etwa fünfzig Jahre alt und massiv manisch depressiv. Seine Konzentrationslosigkeit war sein Handicap; er konnte nirgends länger beschäftigt werden. Und einer der nicht arbeitet, der konnte nirgends untergebracht werden. So war das damals. Also wohnte er lange Zeit bei uns, verrichtete, Platos zitierend, Gartenarbeit, oder spielte "to be or not to be" in unserer Stube. Seine Krankheit genau analysierend war er morgens unansprechbar. Jedoch ab fünf Uhr nachmittags blühte er auf, dann wurde Schach gespielt, Zauberkunststücke vorgeführt und Studentenlieder aus dem alten Cantus-Prügel der Zofingia zum besten gegeben. Dann war Weingartner nicht zu bremsen. Er hielt mir wissenschaftliche Vorträge, die ich als kleiner Junge noch nicht verstand, erzählte wo er schon überall Generaldirektor war, wie es bei den Chinesen zu und her ginge, und wieso sich Messerschlucker nicht verletzen. Ich war sein Publikum, staunte mit offenem Mund.
Und wahrscheinlich hat genau er dazu beigetragen, dass ich heute die etwas aus der Norm fallenden Menschen besser verstehe, akzeptieren kann.

Samstag, 6. November 2010

Lourdes, tout en plastique - Erinnerungen

Meine Grossmutter war sehr fromm, man könnte sagen "bigöttisch fromm". Noch im betagten Alter reiste sie mit einer Reisegesellschaft jedes Jahr nach Lourdes. Und jedes mal brachte sie von diesen Pilgerfahrten wunderliche Dinge nach Hause; die Lourdes-Grotte en miniature aus Plastik mit einer fluoreszierenden Mutter-Gottes oben drauf, auch aus Plastik. Das ganze mit einem Uhrwerk versehen und natürlich gesegnet.
Ein ander mal brachte sie eine Glaskugel mit. Die Mutter-Gottes stehend eingeschlossen in der Glaskugel, und wenn man die Kugel kippte und wieder hinstellte, so schneite es auf die Mutter-Gottes.
Das letzte Ding, das sie von Lourdes mit brachte übertraf aber allerdings alles was ich bisher an Kitsch und Souvenirs dieser Art gesehen habe. Es war so gross, dass es mit separater Post in einer Schachtel transportiert werden musste: Die Kathedrale von Lourdes mit der riesigen Treppe auf einem Plastik-Fels. Unter der Kathedrale die berühmte Grotte ähnlich der Krippe von Bethlehem, mit dürrem Moos und der Mutter-Gottes. Dazu ein grosses Kreuz aus weisslich-grünem, leicht transparentem Bakelit. Das ganze Gebilde war "electrisch illuminierbar" und leuchtete schauerlich wie eine Neon-Reklame eines Nacht-Clubs.
Jeden Abend stellte Grossmutter die Plastik-Grotte andächtig in der Mitte ihres Zimmers auf, das leuchtend blau-grün flimmernde und gefährlich knisternde Kreuz auf das runde Salon-Tischchen, zog die Vorhänge zu und durfte nicht mehr gestört werden....

Freitag, 5. November 2010

Der Glinggu-Glanggu - Erinnerungen

Ich war etwa acht Jahre alt, da schenkte mir meine Nonna ein riesengrosses Bild. Es war kein gemaltes Bild, sondern ein Figurenbild mit Porzellanfiguren, Rüschen, Samt und aufgeleimtem Glimmer. Die Gruppe stellte die heilige Familie dar. Vater Gottes als wolkendurchdringendes Strahlendreieck, der heilige Joseph als Zimmermann mit Hobel und Bart, der junge Jesus und seine Mutter.
Hinten auf dem Rahmen war ein Kästchen montiert. Mit einem riesigen Schlüssel zog man das Uhrwerk auf, und dann spielte das Kästchen bis zur Bewustlosigkeit "Stille Nacht, heilige Nacht". Wegen dem eigentümlichen Klang nannten wir dieses Bild alsbald den "Glinggu-Glanggu".
Beim zu Bett gehen zog meine Mutter das Uhrwerk auf, und ich machte mir den Sport daraus zu zählen wie oft sich "Stille Nacht, heilige Nacht" wiederholt. So gegen Schluss wurde die Melodie immer langsamer und man merkte wie die Walze immer mehr Mühe hatte über die Tonplättchen zu drehen. Es wurde für mich zum ungeheuren Reiz zu erraten ob der nächste Ton noch erklingt oder nicht. Es kam aber auch vor, dass die Melodie bei "Stille Nacht, heilig....." aufhörte und dann plötzlich nach fünf Minuten noch "...e Nacht, alles schlä..." endgültig beendete. Dann war die Überraschung zu gross, dann erschrak ich und konnte nicht mehr einschlafen.
Nach einigen Jahren kamen Waadtländer Antiquitätenhändler vorbei. Einer von ihnen entdeckte den "Glinggu-Glanggu" und wollte ihn unbedingt haben. Ich weigerte mich standhaft bis er mir eine Hunderter-Note bot - damals fürchterlich viel Geld für einen Jungen - ich wurde schwach und überliess ihm das Spieldosen-Bild.
Vor etwa fünf Jahren besuchte ich das Musée Baud à L’Auberson in St. Croix, und was sah ich? MEIN "Glinggu-Glanggu" hing einträchtig neben vielen anderen schönen Uhrwerksbildern an der Wand!

Donnerstag, 4. November 2010

Der Barpianist - wahrgenommen im "al Fagiano" in Locarno

Wir sitzen neben dem Flügel und haben bereits bestellt. Andere haben auch bestellt und unterhalten sich fast andächtig im Flüsterton.
Das Ristorante ist auf Luxus getrimmt in Neo-Empire-Stil. Alles in schwarzem Lack goldrandverziert. Die Decke als Glashalbrund mit schwarzen Sprossen dazwischen. Allenthalben ist die Glasschnitz-Architektur präsent wie sie jetzt wieder Mode ist. Botta lässt grüssen...
Das Geflüster wird kurz unterbrochen weil der Barpianist gekommen ist. Weinroter Kittel, weisse Hosen, weisse Socken, weisse Moccasins, braungebrannte Glatze mit weissem Haar umrandet. Der Typ dürfte so um die sechzig sein und hat so etwas von einem ältlichen ungarischen Tennislehrer oder von einem pensionierten Humphry Bogart. Seinen rechten Mundwinkel lässt er leicht hängen. Mit Routine aber etwas allzu hastig öffnet er den Flügel, streift seinen Kittel nach hinten und setzt sich auf den Drehstuhl. Mit gespielt desinteressierter Miene sortiert er Notenblätter, die er, wie sich später herausstellt, gar nicht braucht oder gebrauchen kann. Während er leichtfingrig Notenläufe im Barstil anschlägt mustert er verstohlen sein heutiges Publikum. Wohl hat er bemerkt dass ich ihn und sein Ritual amüsiert beobachte. Denn, obwohl ich ihm genau gegenüber sitze, vermeidet er gefliessentlich in unsere Richtung zu blicken. Wahrscheinlich vermutet er in mir einen angefressenen Jazzer und Verachter seiner Musik.....
"La Paloma", sein erstes Stück lässt eine End-Fünfzigerin am hintersten Tisch aufleuchten. Salbungsvoll blickt sie den Pianisten an. Mit Gönnermiene blickt der zurück. "Stranger in the Night" folgt, was dem Pianisten einen Augenaufschlag einer goldbehängten  Deutschen vom Tisch Numero 15 beschert. Mit leicht verzogenem Mund und fast unmerklichem Kopfnicken Richtung 15 bedankt sich dieser.
Ich beobachte das Pedalspiel am Flügel und der Pianist vermeidet nach wie vor irritiert meinen Blick. Offensichtlich hält er mich auch für einen Pianisten, einer der ihn beobachtet.
Nun wechselt er den Takt. Eine Spur zu forsch spielt er nun einige Stücke der Beatles und des Duo's Simon and Garfunkel. Etwas nach vorne gebeugt, konzentriert "Ob-la-di-ob-la-da" auf den Flügel hämmernd, erheischt er unter den Augenbrauen durchlauernd Blickkontakt zu Tisch Numero 23. Da sitzt ein aufgedonnertes Girl in hautengen Lederhosen und mit Edelpunk-Bemalung im Gesicht. Ein aufdringlicher Basler - sein bestelltes Steak ist immer noch nicht serviert worden - hämmert mit seinem Messer den Takt zu "Lady Madonna". Das Girl 23 reagiert immer noch nicht. Nun wechselt der Pianist zu "When a Men loves a Women" von Percy Sledges....23 reagiert immer noch nicht.
Gottseidank wird jetzt das Schlagzeug des Baslers zum zerschneiden des endlich servierten Steaks gebraucht. Falsch, aber schön laut drönt jetzt Celentano's "Azzurro" aus dem Flügel - 23 in Lederhosen zahlt und geht. Der Pianist schlägt jetzt wieder Kleydermann'sche Töne an und wechselt dann noch sülziger zu "Love Story". Leicht bleckt er seine Unterlippe und blickt verstohlen von Tisch zu Tisch.
Jetzt hat er mit Sicherheit bemerkt dass ich ihn nicht nur beobachte, sondern auch skizziere, denn jetzt wird er frech und wechselt zu "Take five". Wenn Dave Brubeck in der Nähe wäre schlüge er ihm den Flügeldeckel auf die Finger! Nach "Take five" spielt er nun "Merci, merci, merci", dann "Take the A-Train". Dabei schaut er erstmals zu unserem Tisch und nickt zufrieden wie nach einem Fachgespräch unter Kollegen. Er fragt mich ob ich noch einen speziellen Wunsch hätte. "Ja, zahlen"...

wahrgenommen in einem Hühnerstall In Stegersbach, Oesterreich

Die Hackordnung der Hühner entspricht der der Burgenländer:
Zuerst der Herr Chef,
dann der Herr Vice-Cheef,
dann der Herr Oberstellvertreter-Vice-Cheeef,
dann der Herr Commerzienrat,
dann der Herr Vice-Commerzienraat,
dann der Herr Stellvertreter-Vice-Commerzienraaat,
dann der Herr Aussendienst-Bevollmächtigter, etc. etc...
und schlussendlich die Putzfrau, die bleede Blunz'n....

Sonntag, 31. Oktober 2010

"A und P" - Erinnerungen

Da wo das alte Bauernhaus stand, sind heute Wohnblöcke aneinander gereiht. Wohnen im Grünen nennt sich das. Und was einmal grün war, da wo mein Grossvater den Löwenzahn für seine Hasen schnitt ist heute pflegeleicht asphaltiert.
Die Untere-Erlen war mein Ferienrevier. Mein Grossvater war ein liebevoller, stiller und einfacher Mann, und seine ganze Leidenschaft galt seinen Hasen. Sein Reich waren die selbstgezimmerten Ställe, übereinander, nebeneinander, sein "Bidon-Ville" hinter dem Haus. Und ob jedem Stalltürchen befand sich eine alte Jass-Schiefertafel mit Kreidenotizen. Etwa "A 3.III" oder "P 4x".
Wir Kinder wussten dass Grossvater grossen Wert auf eine gute Hasenzucht legte. Aber was wir nicht wussten, oder zumindest ich nicht wusste war, wieso es zwischen den Ställen einen Durchgang mit einem Holzschieber gab. Wir hatten dann mal zwecks Abklärung alle Holztürchen geöffnet und somit Grossvater's Zuchtprogramm über den Haufen geworfen. Grossvater machte darauf geduldig neue Notizen mit Kreide, und immer kamen wieder die Buchstaben "A und P" vor. Wir rätselten was wohl die beiden Buchstaben bedeuteten? Waren "A-Hasen" etwa für den Familienschmaus an Allerheiligen vorgesehen? "P-Hasen" etwa für Pfingsten oder für Pelzmäntelchen reserviert? Grossvater klärte uns auf: "A" stand für Auen, "P" für Böcke......

Freitag, 29. Oktober 2010

Wahrnehmung, vor 53 Jahren

Als die Russen im Oktober 1957 den allerersten Satelliten ins Weltall schossen, konnte man diese Metallkugel bei viel Glück und klarer Sternennacht als wandernden Punkt beobachten. Der Sputnik war die Sensation überhaupt! Die Zeitungen veröffentlichten "Fahrpläne" wo und wann der Satellit zu sehen sei.
Man richtete sich auf dem Balkon ein oder setzte sich in den Garten. Bewaffnet mit Wolldecke, Kaffee und Knaberzeugs harrte man des achten Weltwunders. Überall in den Nachbarsgärten hörte man flüstern und diskutieren. Es war eine Stimmung wie vor Beginn der Erstaugustfeier. Die Männer diskutierten wie schnell, wie schwer der Sputnik sei. Man tauschte technische Daten. Und dann sah man ihn - nichts weiteres als ein kleiner Leuchtpunkt und nicht heller und nicht grösser als ein Stern zweiter Klasse....
Durch die ganze Siedlung gingen "Aaah's" und "Oooh's" und laute Anweisungen und Ortungen für die, die ihn am falschen Ort suchten. Alle schauten ergriffen dem in 500 Kilometer entfernt fliegenden Punkt zu.
Und endlich hatte ihn Frau Alt-Gemeindeschreiber auch gesehen und sie rief: "Jesses, ond dä hed jo sogar no es Liechtli vore draa...!"

Donnerstag, 7. Oktober 2010

An der Melezza...Gedanken beim skizzieren

Platz.
Wir sind in diese Welt hineingeboren; wir haben also Anrecht auf Platz. Die grosse Kugel gehört uns, alle Meere, alle Kontinente, aller Himmel über uns. Will heissen, wir haben Anrecht zu leben und uns rund um die Kugel zu bewegen. Aber wir sind die einzigen Lebewesen die Platz abgrenzen, beanspruchen, kaufen, blockieren, einhhagen, die Zölle erheben, Platz zum lukrativen Besitz machen.
Da niemand zu Beginn der Schöpfung gesagt und bestimmt hatte: "Diese 31'000 Hektaren gehören Herrn Rockefeller, diese 80'000 Quadratkilometer gehören Herrn Esso...", muss irgendwann mal jemand mit dem "in Beschlag nehmen" angefangen haben. Und die Art hat Gefallen gefunden, denn keine andere Unsitte feiert derart Urständ bis heute!
Und was machen wir? Wir finden es gut, sagen Amen und erklären unseren Kindern Grundbesitz als Synonym für Erfolg, also als erstrebenswertes Ziel. Anstatt sie zu lehren dass sie Anrecht auf dies ganze Welt hätten bringen wir ihnen bei dass es Quadratmeter gibt, Quadratkilometer, Länge mal Breite.
Wir arbeiten ein Leben lang um unsere Freiheit der Ozeane, der Erdteile, einzutauschen in virtuelles Terrain, in "Eigentum". Dann bauen wir ein Haus darauf, fühlen uns endlich frei und haben die Freiheit verloren...
Für die Kinder richten wir Kinderzimmer ein, vier mal fünf Meter, zeigen ihnen wo die Wände sind, wo Platz für die Spielsachen ist, wo der kleine Tisch zu stehen hat, wo sie fast frei tun und lassen dürfen was sie möchten. Wir leben ihnen vor, dass 20 Quadratmeter Platz Leben bedeuten soll und vergessen ihnen die Wüste Sahara, Tibet und den Himalaya zu zeigen...

Ich laufe ziellos der Melezza entlang, immer weiter. Ich muss zurück, an meinen Platz, den ich eigentlich gar nicht kenne, den ich nicht wirklich habe.