Samstag, 6. November 2010

Lourdes, tout en plastique - Erinnerungen

Meine Grossmutter war sehr fromm, man könnte sagen "bigöttisch fromm". Noch im betagten Alter reiste sie mit einer Reisegesellschaft jedes Jahr nach Lourdes. Und jedes mal brachte sie von diesen Pilgerfahrten wunderliche Dinge nach Hause; die Lourdes-Grotte en miniature aus Plastik mit einer fluoreszierenden Mutter-Gottes oben drauf, auch aus Plastik. Das ganze mit einem Uhrwerk versehen und natürlich gesegnet.
Ein ander mal brachte sie eine Glaskugel mit. Die Mutter-Gottes stehend eingeschlossen in der Glaskugel, und wenn man die Kugel kippte und wieder hinstellte, so schneite es auf die Mutter-Gottes.
Das letzte Ding, das sie von Lourdes mit brachte übertraf aber allerdings alles was ich bisher an Kitsch und Souvenirs dieser Art gesehen habe. Es war so gross, dass es mit separater Post in einer Schachtel transportiert werden musste: Die Kathedrale von Lourdes mit der riesigen Treppe auf einem Plastik-Fels. Unter der Kathedrale die berühmte Grotte ähnlich der Krippe von Bethlehem, mit dürrem Moos und der Mutter-Gottes. Dazu ein grosses Kreuz aus weisslich-grünem, leicht transparentem Bakelit. Das ganze Gebilde war "electrisch illuminierbar" und leuchtete schauerlich wie eine Neon-Reklame eines Nacht-Clubs.
Jeden Abend stellte Grossmutter die Plastik-Grotte andächtig in der Mitte ihres Zimmers auf, das leuchtend blau-grün flimmernde und gefährlich knisternde Kreuz auf das runde Salon-Tischchen, zog die Vorhänge zu und durfte nicht mehr gestört werden....

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